Ich denke, dass die meisten der hier Lesenden meinen
Block vor allem verfolgen, um über meinen Freiwilligendienst und
meine Zeit in Indien auf dem laufenden zu bleiben. Nichtsdestotrotz
erlaube ich mir, hier auch meine persönlich Sicht auf das
politische Tagesgeschehen zu teilen. Ich werde diesen Berichten stets
das Wort „Politik“ vorsetzten, so dass nicht-Interessierte diese
Berichte von Anfang an überspringen können.
Quelle: http://www.badische-zeitung.de/freiburg/der-ueberwachung-trotzen--6826909.html |
Im
August diesen Jahres führte das Bundesinnenministerium in
Zusammenarbeit mit der Bundespolizei im Berliner Hauptbahnhof ein
Pilotprojekt durch, um eine neue Form der Überwachung zu testen und
zu verbessern. Hierfür wurden Kameras installiert die, mit Hilfe
eingespeister Daten, die Gesichter der Testpersonen erkennen sollten.
Diese Form der Überwachung soll helfen, flüchtige Terroristen oder
Kriminelle aufzuspüren. In der Wunschvorstellung wird ein Bild in
die Software eingespeist und die Sicherheitskräfte erhalten sofort
eine Nachricht, sobald ein Flüchtiger den Sichtbereich einer Kamera
betritt. Auftritt Polizei. Der Flüchtige wird festgenommen und die
Welt ist wieder ein Stück sicherer.
Offensichtlich
ist es egal, dass damit das von der Verfassung gewährleistete Recht
verletzt wird, sich unbeobachtet und anonym im öffentlichen Raum
bewegen zu können .
„Mich
stört das nicht. Ich finde das mit der Überwachung gut. Wer nichts
zu verbergen hat, muss nichts befürchten." Diese Zitat einer
älteren Dame fand ich in einem der Artikel der SZ über eben jenes
Projekt. Solche Aussage sind leider sehr typisch für unsere Zeit, in
der Überwachung als selbstverständlich angesehen wird. Das Thema
zeigt einen typischen Zielkonflikt des Menschen im Staat auf. Die
Ziele Freiheit und Sicherheit kollidieren.
Freiheit
und Sicherheit haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zueinander.
Die meisten Menschen fühlen sich nicht frei, solange sie sich nicht
sicher fühlen. Gleichzeitig beschneiden Sicherheitsmaßnahmen wie
Überwachung die persönliche Freiheit. Momentan steht ein Großteil
der Bevölkerung auf der Seite der Sicherheit. Nach dem Anschlag auf
den Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016 sprachen sich 60
Prozent der Bevölkerung für mehr Videoüberwachung aus. Auch Sätze
wie aus dem SZ-Artikel werden in diesen Zeiten immer populärer. Ich
persönlich denke, dass die Sicht der Dinge sehr gefährlich sein
kann. Gerade die Möglichkeit der Gesichtserkennung bietet eine
Vielzahl von Missbrauchsmöglichkeiten.
Die
negative Seite
Schon
seit langem ist der sogenannte „Chilling-Effekt“ bekannt. Das
Wissen, dass man überwacht wird nimmt Einfluss auf das Handeln der
einzelnen Person, ohne dass diese es bemerkt. Es kommt zu einer Art
Selbstzensur und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um den
öffentlichen Raum oder das Internet handelt. Dieses Verhalten führt
dazu, dass kontroverse Gedanken nach und nach verschwinden könnten.
Man
passt auf ,was man googelt, was man für Bücher kauft oder was für
eine Sprache man in seiner nächsten E-Mail verwendet. Es könnte ja
sonst sein, dass man dem Staat oder Arbeitgeber, der mitliest,
irgendwie suspekt erscheint und aus der Verbeamtung oder Beförderung
nichts wird. Das Meinungsbild innerhalb der Gesellschaft wird
homogener. Dieser Effekt ist ab einem gewissen Punkt tödlich für
eine Demokratie. Der Pluralismus, der eine Demokratie am Leben
erhält, könnte verschwinden.
Wer
überwacht uns ...
Viele
werden sicherlich denken, dass wir von solchen Umständen noch weit
entfernt sind. Ich selber denke auch, dass wir noch lange nicht
diesen Punkt erreicht haben. Mich stört jedoch die Fahrlässigkeit,
mit der über die Ausweitung der Überwachung gesprochen wird und wie
weit die Akzeptanz der Bevölkerung geht, diese Überwachung zu
akzeptieren.
Fahrlässig
erscheinen mir die Diskussionen, weil sie im Rahmen eines blanken
Aktionismus getätigt werden. Alle wollen Sicherheit. Jetzt!
Auf
die Nachwirkungen wird keine Rücksicht genommen. Man vertraut der
aktuellen Regierung an, auf unsere Daten acht zu geben. Es ist
schließlich nur zu unserem Schutz und richtet sich nur gegen
Kriminelle.
Wer
jedoch Teil der Regierung ist und damit maßgeblich Einfluss darauf
nimmt, was für den Schutz der Bevölkerung nötig ist und
entscheidet,wer kriminell ist, das kann sich ändern.
Vielleicht
müssen wir uns in einigen Jahren mit einer Regierung mit
AfD-Beteiligung abfinden. Für diese Regierung würden die gleichen
Gesetzte für Überwachung gelten, die jetzt beschlossen werden. Sie
hätte die gleichen Mittel zur Überwachung zur Verfügung und sie
würde diese Mittel nicht freiwillig aus der Hand geben.
Die
„Rosa Liste“
Was
heute als unverfänglich gilt, könnte in einigen Jahren einen
Straftat sein. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die
sogenannte „Rosa Liste“.
Diese
Liste, die während der Kaiserzeit in Deutschland eingeführt wurde,
listete alle bekannten homosexuellen Männer auf und jene, die
verdächtigt wurden, homosexuell zu sein. Lange Zeit war es nicht
unbedingt ein Problem, auf dieser Liste zu stehen, da dieser
Straftatbestand nur in einzelnen Fällen verfolgt wurde. 1933 fiel
die von der Weimarer Republik geführte Liste in die Hände der
Nationalsozialisten und war ein wichtiges Mittel zur Verfolgung und
Ermordung von
Homosexuellen.
Man
sollte sich immer bewusst machen, dass Gesetze nicht nur einmal
greifen, sondern von dauerhaftem Bestand sind und in den Händen
unterschiedlicher Akteure unterschiedliche Auswirkungen haben. In den
Händen der falschen Akteure also auch die falschen Auswirkungen.
In
einer Gesellschaft brauchen wir überwachungsfreie Räume, um die
Gesellschaft im Notfall vor Machtmissbrauch zu schützen. Diese
überwachungsfreien Räume sollten keine Ausnahme sein sondern
Standard.
Auch
die Entscheidung über das Ausmaß von Überwachung ist keine
Einzelentscheidung, die jeder nur für sich treffen sollte. In einer
Gesellschaft, in der sich die die meisten für Überwachung
aussprechen, machen sich die wenigen, die sich dagegen aussprechen
und dieser zu entgehen versuchen, verdächtig; und wie die aktuelle
Debatte um die sogenannten „Gefährder“ zeigt, ist auch schon die
aktuelle Politik und Gesellschaft offen für Vorverurteilung und
Sanktionen ohne begangene Straftaten.
Sicherheit
als Hintertür
Ich
bin mir ziemlich sicher, dass in den nächsten Jahren die Überwachung
per Kamera und auch per Gesichtserkennung ausgebaut werden, da kann
ich hier schreiben, was ich will. Um das durchzusetzen bedient man
sich einer Hintertür, der man sich schon so oft bedient hat, um
gegen Freiheitsrechte, Bürgerrechte und Menschenrechte zu verstoßen.
Das Zauberwort, mit dem man versucht solche Maßnahmen zu
rechtfertigen, ist Sicherheit.
Ein
Beispiel dafür ist der von Amnesty International kritisierte, aber
bis zum 1. November verlängerte Ausnahmezustand in Frankreich, der
beinahe zwei Jahre andauert.
Im
Rahmen des Ausnahmezustand gab es gerade in in den Banlieues viele
der 4400 Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss bei
sogenannten Gefährdern, von denen nur fünf überhaupt zu
Ermittlungsverfahren führten. Auch kritisieren Organisationen wie
Amnesty International die seitdem stark eingeschränkte
Versammlungsfreiheit und die Verbote an Demonstrationen, wie bspw.
gegen geplante Arbeitsmarktreformen oder einen Flughafen
teilzunehmen.
Nun
soll der Ausnahmezustand im November beendet werden, doch dafür
sollen Teile davon in ein neues Antiterror-Gesetz übernommen werden.
Maßnahmen, die zunächst nur für eine akute Bedrohungslage gedacht
waren und Bürgerrechte aushebeln, könnten also ab November teil
eines regulären Gesetzes werden. Alles im Namen der Sicherheit.
Weitere
Beispiele, in denen die vermeintlich gefährdete Sicherheit über
Bürger- und Menschenrechten steht, sind Folter, Staatstrojaner, eine
Flüchtlingspolitik der Abschottung und militärische Interventionen
wie im Irak. Sicherheit scheint der Schlüssel zu sein um in der
heutigen Gesellschaft fast alles durchsetzen zu können.
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