Mumbai - Der erste Teil
Mumbai - bis 1996 hieß es Bombay - ist
für mich eine Stadt wie New York. Der Gedanke, diese Stadt zu
besuchen bzw. besucht zu haben, erscheint einem irgendwie surreal.
Nach der Rückkehr kann man zwar sagen, dass man in New York oder
Mumbai war, aber es fühlt sich immer noch sehr unwirklich an. Für
mich liegt es, glaube ich, daran, dass der Mythos größer ist als
die Stadt selber.
Obwohl größer hier vielleicht das
falsche Wort ist. Aufgebauscht und gleichzeitig unvollständig trifft
es eher. Aber das ist eigentlich auch das Schöne an diesen Städten,
man wird immer noch überrascht.
Mumbai ist nicht einfach nur das
wirtschaftliche oder kulturelle Zentrum Indiens, wichtigste
Hafenstadt des ganzen Subkontinents, die Stadt, die niemals schläft,
die Geburtsstätte des Bollywoodfilms oder der Treffpunkt für die
Reichen und Schönen Indiens.
Mumbai ist auch einfach eine Stadt in
der Menschen leben, sterben, lieben, hassen, essen und schlafen.
Diese Banalität ist kein Teil des Mythos Mumbais, aber es ist
vermutlich das, was man als Besucher der Stadt hauptsächlich
mitbekommt. Man schlendert durch die Straßen in denen es
Restaurants, Frisörläden, Elektronikläden und Supermärkte gibt,
sieht Rikschafahrer und Autofahrer streiten, wen jetzt die Schuld
trifft, zwängt sich an Leuten aller sozialer Schichten vorbei, freut
sich, wenn der Autofahrer anhält, um einen über die Straße zu
lassen und wartet mit allen anderen auf die Bahn.
Diese Banalität, die man auch in jenen
Städten erlebt, führt für mich zu dieser Lücke im Kopf, die mich
fragen lässt, ob ich jetzt wirklich in Mumbai war. Aber ja, ich war
in Mumbai und es hat mir gut gefallen.
Dass ich nach Mumbai möchte, war für
mich von Anfang an klar. Mumbai liegt ziemlich nah an Ahmedabad und
ist gut über Nacht mit dem Bus oder dem Zug zu erreichen.
Eines Abends erzählte mir Liz, dass
sie im Februar nach Mumbai fährt um einige ihrer kanadischen Freunde
zu treffen. Die Gelegenheit für mich, nach Mumbai zu fahren. Ich
entschied mitzukommen und wir buchten den Zug und das Hostel und am
zweiten Wochenende im Februar fuhren wir Freitagabend mit dem Zug in
Richtung Mumbai.
Es war tatsächlich meine erste
Zugfahrt in Indien und was soll ich sagen: Ich habe sie geliebt. Im
Gegensatz zum Bus hatte man in der dritten Klasse im Zug zwar nicht
die Privatsphäre einer eigenen Kabine, aber dafür konnte ich
schlafen, da der Zug nun einmal nicht über Schlaglöcher fährt.
Von der ca. 6-stündigen Zugfahrt
schlief ich bestimmt vier bis fünf Stunden und ehe ich mich versah,
war ich in Mumbai.
Der Morgen
Es war sechs Uhr morgens und der
Bahnhof relativ leer. Wir suchten die local trains und wurden
auch bald fündig. Da gerade ein Zug kamm der in unsere Richtung
fuhrm sprangen wir einfach ein, da wir nirgendwo einen Ticketstand
finden konnten. Glücklicherweise wurden wir nicht kontrolliert und
konnten bis zu unserer Station durchfahren. Der Zug war sehr leer und
ich konnte es genießenm endlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu
fahren. In Ahmedabad wird gerade an einer Metro gebaut, ansonsten
gibt es nur einige Busse als öffentlichen Nahverkehr,
dementsprechend sind wir meistens auf Rikschas oder Freunde mit einem
Scooter angewiesen, die uns überall hinbringen.
Unser Hostel lag im Stadtteil Bandra,
im unteren zweiten Drittel von Mumbai. Mumbai entstand durch das
Aufschütten von Land zwischen mehreren Inseln und läuft spitz ins
Meer hinaus. Eine generell Orientierung ist, je weiter unten, südlich
wie der Profi sagen würde, man ist, desto teurer. Im Süden befinden
sich die meisten touristischen Attraktionen, die großen Banken und
Unternehmensgebäude sowie die Wohnhäuser der Wohlhabenden.
Von der Haltestelle Bandra gab es eine
erhöhte Fußgängerbrücke, die es ermöglicht, dem Verkehr auf dem
Boden zu entgehen und die sehr nah zu unserem Hostel führt. Eine
sehr sinnvolle Konstruktion, wie wir später feststellten, als wir
tagsüber den Verkehr beobachteten.
Einchecken konnten wir erst gegen zwölf
Uhr, weshalb Liz und ich erst versuchten, im Couchbereich des Hostels
zu schlafen und später Karten spielten, bis es für unsere
Mitreisenden Zeit war aufzustehen und sie sich zu uns gesellten.
Unsere Mitreisenden waren Allie und
Nadia, die beide mit dem gleichen Programm der Aga Kahn Foundation
und der kanadischen Regierung in Indien sind wie Liz. Beide sind
allerdings zusammen in Delhi eingesetzt. Im Laufe des Tages trafen
wir dann noch Taheera, die mit dem gleichen Programm in Mumbai tätig
ist und dementsprechend nicht bei uns im Hostel schlief und später
als Ortskundige die Führung unserer kleinen Reisegruppe übernahm.
Die restliche Zeit bis zu unserem
Check-in machten wir einen kleinen Spaziergang durch Bandra in
Richtung des Wassers. Es gab sehr viele Ziegen in dem Bereich, den
wir durchquerten und bei einem der Metzger wurde auch gerade eine
geschlachtet.
Am Wasser angekommen, erhielten wir das
erste Mal einen Blick auf die Hochhäuser von Bandra. Hierbei fällt
auf, dass gefühlt auf jedem Gebäude ein Kran steht und gebaut wird.
Auch den berühmten Mumbai Sea Link konnten wir sehen, eine Brücke,
die Bandra mit dem Stadtteil Worli verbindet.
Das Wasser war allerdings sehr
schmutzig und die Sonne sehr heiß also gingen wir bald zurück zu
unserem Hostel und vollendeten endlich den Check-in.
Danach ging es dann los für uns in die
Stadt. Also auf zur Station und rein in den Zug (dieses Mal mit
Ticket).
Schon auf dem Weg fällt mir auf, dass die Stadt voll ist.
Jetzt ist Ahmedabad auch eine volle Stadt, so wie die meisten
indischen Städte die ich bisher besucht habe, aber Mumbai nimmt
nochmal einen Sonderstatus ein.
Mumbai und seine Bevölkerung
Mumbai ist im Bereich Bevölkerung eine
Stadt der Superlative. Momentan leben knapp 13 Millionen Menschen in
Mumbai, also ohne den Speckgürtel der nochmal ca. 5 Millionen
Menschen umfasst.
Das ist deutlich mehr als das doppelte
an Bevölkerung als im Ruhrgebiet. Allerdings ist das Ruhrgebiet ca.
siebenmal größer als Mumbai, was zu der extremen Dichte von 20.680
Einwohner pro Quadratkilometer in Mumbai führt. In München, der
Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte in Deutschland, beträgt
der Wert „gerade einmal“ 4668 Einwohner pro Quadratkilometer.
Jetzt gibt es in München viele Gründe,
warum es die teuerste Stadt der Deutschlands ist, aber der akute
Wohnraummangel spielt dort wie in allen anderen deutschen Großstädten
eine große Rolle. So wundert es nicht, dass auch in Mumbai die
Preise ordentlich in die Höhe gestiegen sind. Einige Immobilien in
Mumbai gehören mit zu den teuersten der Welt.
Das Wohnhaus Antilia gilt sogar als die
teuerste Immobilie im Bereich Einfamilienhaus weltweit. Die Angaben
dazu schwanken jedoch, so wird teilweise ein Wert von 1,5 Milliarden
Dollar genannt und andererseits ein Baupreis von „nur“ 50 bis 70
Millionen Dollar. Es ist aber lange nicht das einzige hochpreisige
Gebäude in Mumbai, in letzter Zeit wird in Mumbai überall gebaut
und neue Gebäude hoch gezogen.
Hierbei macht sich allerdings ein
weiteres Problem bemerkbar, dass es auch in weiteren aufstrebenden
asiatischen Ländern und Städten gibt. Der Aufschwung verführt zur
Bildung einer gigantischen Immobilienblase, wie sie 2008 die
Bankenkrise in den USA auslöste. Denn 52% der im Bau befindlichenImmobilien in Mumbai, und das sind immerhin 350.000, haben noch keinen Käufer. Die indischen Banken sitzen auf 140 Milliarden Dollar
fauler Kredite und geben immer weiter ungedeckte Kredite aus.
Hier ist auch zu sehen, wie eine Stadt
einen großen Teil ihrer Bevölkerung in die Randbezirke verdrängt.
Denn Mumbai ist auch in der Hinsicht ein Extrem. Der Slum von Mumbai
gilt als einer der größte Slum der Welt und zugleich als einer der
teuersten. Man sollte sich jedoch bewusst machen, dass es nicht einen
großen Slum gibt sondern ca. 2.000 in der ganzen Stadt, in denen 55
% bis 60 % der Bevölkerung leben. Auch liegen nicht alle Slums am
Rande der Stadt, einige liegen sehr zentral und besetzten begehrtes
Bauland, weshalb immer mehr Investoren versuchen, die Bevölkerung
umzusiedeln und zu verdrängen.
Aufgrund dieser extrem hohen
Bevölkerung sind auch die Züge in Mumbai ausgelastet. Die Züge die
für 1.700 Menschen ausgelegt sind, fassen während der Rush-Hour
gerne mal um die 5.000 Reisenden. Für dieses Phänomen gibt es sogar
einen eigenen Namen, „the Super Dense Crush Load“. Durch die hohe
Frequenz von über 2.300 Zügen die täglich das 465 Kilometer lange
Netz abfahren, können täglich 7,5 Millionen Menschen transportiert
werden.
Wir drängten uns also alle zusammen
schnell in den Zug und da steht man dann sehr kuschelig mit allen
Mitreisenden aneinander. Später haben wir uns meistens aufgeteilt,
da es für Frauen wie in Delhi auch, ein Extra-Abteil gibt.
Eine weitere Besonderheit ist, dass die
Züge mit offenen Türen fahren. Wer also auf frische Luft aus ist,
tut gut daran sich an der Tür zu platzieren. Oft sieht man noch
Leute auf den Zug aufspringen bzw. abspringen, wenn der Zug schon
Fahrt aufgenommen hat. Auch ich kam schon in die Situation, dass ich
als einziger noch draußen stand und mit einem beherzten Sprung noch
einen Platz ergattern konnte.
Das Reisen an der offenen Tür ist
sicherlich sehr spannend und geradezu typisch für Mumbai, das sollte
jedoch nicht über die Gefahren hinwegtäuschen. So verloren vonJanuar 2016 bis Juli 2017 offiziell 3880 Menschen im Zusammenhang mitZügen in Mumbai ihr Leben. Ein Großteil der Toten wird durch das
Überqueren der Schienen vor dem Zug verursacht, aber auch das Fallen
vom Zug ist eine der Hauptursachen. Gerade junge Leute klettern
teilweise aus der Tür aufs Dach und bringen sich damit in große
Gefahr.
Wer also in Mumbai mit dem Zug fährt,
kann das gerne genießen, sollte jedoch drauf achten nicht als einer
der durchschnittlichen 10 Zugtoten pro Tag in der Unfallstatistik
aufzutauchen.
Damit hätten wir den ersten Teil des Textes geschaftt und im zweiten Teil passiert dann auch mal etwas.
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