Das letzte Wochenende im November
verbrachte ich in Kutch.
Wir starteten Freitagabend von Paldi in
Ahmedabad aus. Paldi ist ein Stadtgebiet, in dem die meisten
Reisebusse abfahren. In diesem Fall bedeutet das, dass es dort eine große Kreuzung gibt, die überall von Bussen zugeparkt ist,
überall wird Essen verkauft, überall kommen Menschen mit Autos,
Motorrädern oder Rikschas an. Alles in allem verliert man, wenn man
das erste Mal da ist, sehr schnell die Orientierung.
Glücklicherweise, war ich mit einer
befreundeten Inderin, Sushmita, die bei mir in der Nähe wohnt,
angekommen, die uns beide schließlich bis zum Bus durchgefragt
hatte.
Dort angekommen, trafen wir unsere
Mitreisenden, Niccolo aus Italien, der in einem Architekturstudio ein
Praktikum für sein Architekturstudium macht (das gleiche
Architekturstudio, in dem Sushmita auch arbeitet). Liz aus Kanada,
die ein Praktikum beim einer indischen Teil der Aga-Kahn-Stiftung macht und im Bereich
Genderequality arbeitet. Lisette, die im ebenfalls im Rahmen ihres
Studiums in Indien ist, um an der CEPT-University im Bereich
Stadtplanung und Smartcity zu arbeiten.
Die Busfahrt sollte eine ganz besondere
werden, da wir unglücklicherweise keinen Sleeperbus mehr bekommen
haben und dementsprechend die ca. achtstündige Fahrt im Sitzen
verbringen mussten, was das Schlafen dann doch deutlich erschwert.
Niccolo neben mir schien das nicht zu stören. Nach ca. 45 Minuten
war er ganz entspannt eingeschlafen und sollte nur zwischendurch
während der Pause kurz aufwachen. Ich hingegen schlief diese Nacht
leider nicht so wirklich, erst als ich mir eine leere Sitzreihe
gesucht hatte, in der ich mich eher weniger bequem hinlegen konnte,
fand ich für ca. eine Stunde Schlaf.
Wir kamen um halb sechs am Morgen in
Bujh an, der größten Stadt in Kutch. Dort gab es erstmal Chai für
uns und dann warteten wir eine Stunde auf den nächsten Bus, in dem
Dhwani, Lisettes Zimmergenossin, mit ihrer Cousine aus den USA
ankommen wollte.
Nachdem wir nun vollzählig waren,
mussten wir uns darum kümmern, wie wir von Bujh in unsere Unterkunft
nahe der Salzwüste kommen. Glücklicherweise hatte Dhwani die Sache
in die Hand genommen und schon auf der Busfahrt einen Fahrer gebucht.
Es ist sehr üblich, sich hier einen Fahrer zu buchen, auch wenn es
mir selber erst einmal sehr komisch vorkam. Wir hatten ihn am Ende
für 2 Tage gebucht und mussten dafür 6000 Rupien (75 Euro) zahlen.
Wir waren 7 Leute also alles in allem ein sehr annehmbarer Preis.
Schließlich kam unser Fahrer und wir
machten uns auf den Weg. Kurzes Frühstück und dann in Richtung
Salzwüste. Auf dem Weg dorthin stoppten wir in einem der Dörfer,
die traditionelle Handarbeiten betreiben. Tourismus ist in diesem
Bereich Indiens noch nicht sehr ausgeprägt, diese Dörfer von sind
eine der ersten Maßnahmen, das Angebot auszuweiten und nicht nur auf
die Salzwüste zu beschränken. Die Ambitionen, dieses Gebiet in ein
für Touristen interessanten Ort zu verwandeln, kam erst nach 2001,
als ein starkes Erdbeben (7,7 auf der Richterskala), dessen
Epizentrum in Kutch lag, Gujarat erschütterte und viele
Menschenleben und viele Lebensgrundlagen zerstörte. Seitdem gibt es
einen touristischen sowie industriellen Wandel (insbesondere an der
Küste) in dieser Region.
Im ersten Haus wurde uns eine
traditionelle Art der der Stoffbemalung gezeigt, bei der eine
dickflüssige Farbe quasi auf den Stoff getropft wird.
An anderer Stelle wurde uns gezeigt,
wie aus Altmetallresten Glocken geformt werden. Im Nachhinein bereue
ich es sehr, dort nichts gekauft zu haben.
Ganz hinten im Dorf wurde Farbe auf
Holzgegenstände wie Löffel, Teigrollen oder Kreisel aufgetragen.
Der Prozess verlief dabei sehr ähnlich wie beim Drechseln, würde
ich sagen, nur dass nicht Holz abgehobelt wurde, sondern Farbe
aufgetragen.
Nachdem wir unsere Tour durch das Dorf
beendet hatten ging, es zurück zum Wagen und weiter Richtung
Salzwüste. Nach der Kälte am Morgen, war es nun schon wieder sehr
heiß geworden und ich persönlich genoss es sehr, im hinteren Teil
des Wagens am Fenster zu sitzen und einfach raus zu gucken und zu
sehen, wie die Landschaft an einem vorbeizieht. Ab und zu gab es
Pferde, Esel, Kamele und Wasserbüffel zu sehen und die Landschaft
wurde nach und nach immer unwirtlicher und weniger grün. Schließlich
hatten wir unser Ziel erreicht, unser Homestay nahe der Salzwüste.
Es gibt eine Zeltstadt direkt an der Salzwüste, die sehr fancy und
teuer ist (um die 100 Euro für eine Person pro Nacht), dass konnten
wir uns selbstverständlich nicht leisten, aber auch wir konnten in
großen Zelten übernachten und ich hatte eines der bequemsten Betten
in Indien bisher.
Es war nun Nachmittag und nachdem wir
eingecheckt hatten, gab es zum Glück noch etwas Mittagessen. Den
restlichen Nachmittag verbrachten wir teilweise schlafend, lesend und
Musik hörend. Lisette und ich gingen ein wenig die Gegend erkunden,
machten uns aber aufgrund der Hitze bald auf den Weg zurück.
Insgesamt genossen wir alle die Ruhe, die in Ahmedabad doch etwas zu
kurz kommt. Ich selber wohne ja auf dem CEE-Gelände und kann dort
durchaus die Ruhe genießen, aber dieses ständige Gebrumme der
Großstadt mit ihren Autos die Hupen, den Menschen die kaufen und
verkaufen und den Hunden, die sich gegenseitig anbellen, bleibt immer
ein leises Hintergrundrauschen. Die totale Ruhe nur durch das leise
Zwitschern von Vögeln unterbrochen, ist eine willkommene Abwechslung
dazu.
Am späten Nachmittag machten wir uns
dann auf den Weg zur Salzwüste „The great rann of Kutch“ (es
gibt auch noch „The small rann of Kutch)
Entstanden ist diese Salzwüste durch
eine Landerhebung an der Küste, die die ehemalige flache Bucht vom
arabischen Meer trennte. Die dadurch entstandene Bucht mit salzigem
Sumpf wurde schon von Alexander dem Großen durchquert und hat Einzug
in die Welt der Hindu-Mythologie gefunden.
Die Salzwüste existiert nicht das
komplette Jahr. Während der Monsunzeit ist das Gebiet ein See bzw.
salziges Marschland. Ab Ende November ist das Gebiet mehr oder
weniger trocken (in unserem Fall eher weniger aber dazu später mehr)
und die eigentlich Salzwüste kommt zum Vorschein. Dieses
einzigartige Ökosystem ist sehr fragil und gerade durch das
Interesse an den reichlichen Vorkommen von Erdgas stark gefährdet.
Das Interesse an diesen Vorkommen liegt
sowohl auf indischer als auch auf pakistanischer Seite und führte
schon zu manchem Konflikt. Der letzte größere Konflikt fand im
Jahre 1999 statt, als ein pakistanischer Militärjet, der den
indischen Luftraum verletzt haben soll, abgeschossen wurde und alle
16 Insassen ums Leben kamen.
Die seit 1956 geltenden Grenzen
sprechen das Land zu einem Großteil Indien zu. Insgesamt 90 % der
Fläche befinden sich auf der indischen Seite, 10 % auf der
pakistanischen. Beide Seiten beanspruchen natürlich viel mehr.
Aufgrund der Brisanz dieses Gebietes,
ist es eine militärische Zone und wird streng bewacht, um
hineinzugelangen muss man sich als Ausländer mit seinem Reisepass
ausweisen, bevor man den Checkpoint passieren darf.
Die Wüste selber wirkt extrem surreal.
Zunächst denkt man, dass die sehr flache Landschaft, einfach
eingeschneit ist. Sobald man die Oberfläche betritt knackt es
überall und da wir relativ früh nach dem Monsun da waren, sind
einige Stellen auch noch mit Wasser bedeckt und andere Stellen
bestehen aus salzigem Sumpf.
In so einem Sumpf hätte ich auch fast
meinen Schuh verloren, da ich ziemlich tief eingesunken bin, ich
konnte ihn zum Glück noch retten und entschied mich dazu, einfach
barfuß weiter herumzulaufen. Dieses Unterfangen verlief in weiten
Teilen auch sehr erfolgreich, allerdings sollte es an einigen Stellen
durchaus schmerzhaft werden, da das getrocknete Salz sehr scharf
Kanten bildet.
Nach dem die Sonne untergegangen war,
ging es für uns zurück zu unserer Unterkunft, wo ich auch sofort
einschlief, um das frisch erarbeitete Schlafdefizit auszugleichen.
Am nächsten Morgen hieß es für mich
auch direkt wieder früh aufstehen, da wir uns den Sonnenaufgang
natürlich auch nicht entgehen lassen wollten und dementsprechend
schon vor 6 Uhr auf dem Weg sein wollten.
Tatsächlich durften wir als erstes
Auto den Checkpoint passieren und hatten zumindest für einen kurzen
Moment die ganze Salzwüste für uns. Generell war die Salzwüste an
diesem Punkt sehr gut besucht sowohl während des Sonnenaufgangs als
auch am Abend zuvor. Wenn die Sonne dann aufgegangen ist, jeder sein
Selfie gemacht hat und es Zeit fürs Frühstück wird, leert sich die
Wüste sehr rasant, so dass wir nicht nur das erste Auto waren
sondern auch das letzte, dass die Salzwüste an diesem Morgen
verlassen hat.
Wir hatten nun noch den ganzen Tag und
entschieden uns noch ein paar weitere Dörfer zu besuchen, die auch
traditionelles Handwerk betreiben.
Nachdem wir zwei weitere Dörfer
besucht hatten, wurde es langsam Zeit sich auf den Weg zurück nach
Bujh zu machen, dort wollten wir Kahmir besuchen.
Kahmir ist eine NGO, die sich für den
Erhalt traditionellen Handwerks einsetzt und etwas außerhalb Bujhs
einen Campus mit Veranstaltungsräumen, Werkstätten und einem Shop
hat. Kahmir arbeitet mit Handwerkern in den umliegenden Dörfern
zusammen und veranstalten auch Ausstellungen in Städten wie
Ahmedabad. Kathrin, eine andere Freiwillige, die wie ich mit Kurve
Wustrow ausgereist ist, arbeitet als Freiwillige bei Kahmir, weswegen
mir diese Organisation auch schon zuvor bekannt war.
Eigentlich ist Kahmir sonntags
größtenteils geschlossen, doch glücklicherweise trafen wir
jemanden, der uns spontan noch den Shop öffnete und auch die
Organisation vorstellte. Später führte er uns auch noch etwas über
den Campus, was vor allem für die Architekten und angehenden
Architekten unter uns interessant war.
Im Shop kaufte ich ein Hemd, dass sich
innerhalb kürzester Zeit zu meinem absoluten Lieblingshemd
entwickelte. Niccolo dachte sich jedoch, dass nur ein Hemd nicht
genug sei und entschied sich spontan dazu zwölf Vorhänge für das
Sommerhaus seiner Eltern in der Toskana zu kaufen. Zehn konnte er
direkt mitnehmen und die fehlenden Zwei wurden ihm nach Ahmedabad
geschickt.
Da es sich bei den Vorhängen um recht
dicke Stoffe handelte, vervielfachte sich unser Gepäck auf einmal
und es wurde etwas enger im Auto.
Nach einem großen Abendessen ging nun
zum Bus und zurück nach Ahmedabad. Interessanterweise empfand ich
die Fahrt im Bus mit Schlafkabine noch unangenehmer als die Fahrt
ohne Schlafkabine.
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